Leonard Kleinrock


Wie aus "LO" das Internet entstand

40 Jahre vernetzte Rechner - Vom Militärprojekt zum WWW

von Anatol Locker

Am 29. Oktober 1969 wurden zwei Computer vernetzt - über eine Distanz von 500 Kilometern. Dabei hatte das Internet noch nicht mal seinen Namen - und natürlich ging etwas schief: Das System stürzte nach der Übertragung von zwei Buchstaben ab.

 

Um 22:30 klingelte es im Rechenzentrum der University of California Los Angeles (UCLA) in Menlo Park. Der Anrufer: ein 50-Kilobit-Modem der benachbarten Stanford-Uni. Assistent Charley Kline stellte die Verbindung mit dem Akustikkoppler her, während sein Professor Leonard Kleinrock am Terminal saß. Die Computer pfiffen sich eins, bis sie verbunden waren.

Verpatzter Login

Dann kam der große Moment: Kleinrock griff in die Tastatur, um das Wort "LOG" zu schreiben, worauf Heart mit "IN" antworten sollte. Doch nach den ersten beiden Buchstaben crashte das System. Also lautete die erste Nachricht, die übers Internet gesendet wurde, lediglich "LO". So viel zur Geburtsstunde des Internets. Zur Ehrenrettung: Eine Stunde später funktionierte die Verbindung tadellos. "Es kam uns nicht wie ein historischer Moment vor", erinnert sich Kleinrock. "Wir machten nicht einmal ein Foto, um die Sache festzuhalten."

Infobox

ZDFheute auf Facebook

Wer kann sich an seinen ersten Online-Tag erinnern und wo wird das alles enden? Debattieren Sie mit im ZDFheute-Auftritt auf Facebook!(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster)


Doch wie war es dazu gekommen? Computer, deren Röhrentechnik in den 50ern noch Schrankwände einnahmen, wurden immer kleiner und günstiger. Die amerikanische Armee hatte mehrere angeschafft, doch sie lagen brach, weil niemand sie richtig bedienen konnte. Die ungenutzten Armee-Rechner weckten die Fantasie der Wissenschaftler: "Netzwerke, interaktive grafische Schnittstellen, Time-Sharing und all die anderen Dinge, die heute selbstverständlich sind, lagen damals in der Luft", formulierte es Wissenschaftler Charles Herzfeld.

Das Internet ist vielen Forschern zu verdanken, darunter Joseph Carl Licklider vom MIT. Licklider hatte 1962 das Internet in seinen "Intergalaktischen Computer-Netzwerk"-Memoranden skizziert. Und es ausgiebig mit seinen Kollegen diskutiert: "Wir brachten alle an einen Tisch. Dann gab es eine Menge Diskussionen, man blieb lange auf und trank vielleicht ein bisschen Alkohol."

Zur Kommunikation bei einem Atomkrieg

Licklider beriet die ARPA, den wissenschaftlichen Zweig des amerikanischen Militärs, der hauptsächlich Grundlagenforschung betrieb. Die Idee, Computer in einem ARPANET miteinander zu vernetzen, interessierte die Behörde. Denn wie konnte im Atomkrieg die Befehlskette erhalten bleiben? Wie sollte man bei kaputten Telefonleitungen Nachrichten an die Truppen schicken?

Eine Studie des Think Tank "RAND" bot da einen interessanten Ansatz: Wenn man die Botschaft in kleine Pakete teilte, sie über mehrere Telefonnetze verschickt, kann die Botschaft trotz kaputter Leitung transportiert werden. Das probierten Licklider und seine Kollegen aus - und nach dieser Art funktioniert das Internet noch heute.

 

Vom Herrschaftswissen zum Allgemeingut

Das militärische Know-how war ursprünglich streng geheim. Doch das Netzwerk, das die Forscher gebaut hatten, schrie nach dem Gegenteil. Und so befanden es die Wissenschaftler, die es bedienten, als zu kostbar, um es dem Militär zu überlassen. Sie nutzten es, um sich über ihre Forschung auszutauschen.

 

Das ARPANET wuchs schnell und mutierte zum Forschungsverbund. Im Oktober waren vier Universitäten vernetzt, 1971 bestand das Netz schon aus 14 Computern. Praktischerweise entwickelten die Nutzer das Netz gleich weiter: Das E-Mail-Protokoll folgte 1971, Datenfernübertragung per FTP 1973, genauso wie "Voice over IP". Also hatte auch das Jahr 1973 sein "Skype", obwohl das Verfahren so nicht recht funktionieren wollte. 1983 splittete sich das ARPANET. Die Militärs eröffneten MILNET, die Unis bekamen das neu benannte Internet.

Als Tim Berners-Lee 1990 das World Wide Web definierte, war auch die Zeit des Herrschaftswissen für die Herren im weißen Kittel vorbei. Die Welt entdeckte das Web. Wie viel Daten heute fließen, lässt sich nicht messen. Seit 2005 übersteigt der Stromverbrauch fürs Internet in Deutschland den für Beleuchtung - für einen ersten Fehlschlag eine ganz hübsche Erfolgsgeschichte. Happy Birthday, Internet.